Wenn immer mehr Pflegefachkräfte fehlen

Das Jahr 2029 hat es, was den Arbeitnehmermarkt betrifft, in sich. Dann nämlich werden sämtliche Mitarbeitende aus der Babyboomer-Generation (1946 bis 1974) pensioniert. Dies hat für viele Branchen weitreichende Folgen. Auch für das Gesundheitswesen.

Die Handelszeitung berichtet im Artikel «Wenn die Babyboomer in Pension gehen, wird es ernst», dass laut einer Studie der Credit Suisse in den nächsten zehn Jahren rund 1,1 Millionen Menschen pensioniert werden. Aktuell gehen pro Jahr 70'000 bis 90'000 Menschen in Rente, bald werden es jährlich 100'000 sein.

Die Folgen sind der damit verbundene Fachkräftemangel und ein höherer Pflegeaufwand.

Das Gesundheitswesen wird mit zirka 20'000 angehenden Pensionären gut ein Drittel des gesamten Bestandes verlieren, wenn nicht dringend für Nachwuchs gesorgt wird. Ein Problem für später? Nein. Denn gemäss Jobradar fehlen bereits jetzt ca. 15'000 Pflegende.


Pflegefachkräfte: Ausbildung und ein gesundes Arbeitsklima

Dass in Werbung und Ausbildung investiert und auch die Digitalisierung gefördert wird, ist wichtig. Das Gesundheitswesen braucht die Unterstützung der ganzen Gesellschaft, dient es doch genau dieser. Doch neben einem sicheren Job und sinnvollen Perspektiven zählen auch Vorbilder.


Wird gehalten, was versprochen wird?

«Vor 40 Jahren begann ich in der Pflege zu arbeiten. Und schon damals äusserte die Klinikleitung, dass wir auf einen Personalnotstand in der Pflege zusteuern. Leider wurde das jahrzehntelang nicht ernst genommen - das ist nun das Ergebnis davon.»

... schreibt eine Mitarbeitende aus der Pflege in einem Leserkommentar.

Wird gehalten, was versprochen wird? Sind zum Beispiel Teilzeitpensen möglich und können die vereinbarten Stellenprozente eingehalten werden?

Corona war gestern. Wirklich? Wer zwei Jahre lang überbelastet war, erholt sich nie und nimmer so schnell. Überstunden sind immer ein Kredit des Körpers, den wir früher oder später zurückzahlen müssen. Und laut Medienberichten steigen die Coronazahlen wieder an.

Spitäler berichten von Ermüdungserscheinungen und Abgängen bei spezialisierten Fachkräften, die kurzfristig schwer zu ersetzen seien.
(Quelle: «Bis 2030 fehlen der Schweiz 20'000 Pflegekräfte» Tagesanzeiger.ch, 6.9.2021)

Die ungeheuren Belastungen der Corona-Pandemie gingen grösstenteils auf Kosten des Gesundheitspersonals. So liefen Notfall- und andere Abteilungen rund um die Uhr an ihren Grenzen.


Das «Corona-Trauma» hat Spuren hinterlassen

Corona hat gezeigt: Niemand möchte am Ende eines Rattenschwanzes stehen, dessen Grund Fahrlässigkeit und Unvernunft ist.

Baden? Ja, gerne. Aber nicht ausbaden. Wenn die eigenen Bedürfnisse keinen Raum mehr finden, kaum mehr Zeit für die nötige Erholung vorhanden ist und wertvolle Beziehungen zu zerbrechen drohen, ist es an der Zeit, diese kränkelnde Branche zu verlassen. Man gibt viel, aber nicht alles!

Pro Monat steigen 300 Personen aus dem Pflegeberuf aus (Quelle: Medinside.ch «300 Pflegende springen monatlich ab»). In der Folge können bis zu 20 Prozent der vorhandenen Betten nicht belegt werden. Es fehlt heute schon so viel Personal wie noch nie ...

Und so fehlt seither nicht nur viel Know-how in den Gesundheitsbetrieben. Die Situation verschlechtert sich weiterhin rasant.

Dass die Politik sich nur langsam bewege, sei «sehr frustrierend», so Pflegefachfrau und Gewerkschafterin Natalie Dohner. Während Bund und Kantone sich gegenseitig die Verantwortung zuschieben, verschärfe sich die Versorgungskrise im Gesundheitswesen.

(Quelle: «Wir arbeiten mit immer weniger Personal und müssen immer mehr einspringen» - Medinside.ch).

Der publizierte Nationale Versorgungsbericht 2021 des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) prognostiziert, dass der Personalbedarf bis 2030 aufgrund der demografischen Entwicklung und des Bevölkerungswachstums auf 222'000 Personen ansteigen wird. Und laut Gesundheitsverbänden steige der Bedarf an Alters- und Langzeitpflege bis 2040 um 56 Prozent.


Fachkräfte aus dem Ausland?

Laut Obsan-Bericht braucht es bis 2030 43'000 neue Pflegefachkräfte mit Tertiärabschluss. Rund 16'000 Fachleute davon sind nötig, um den zusätzlichen Bedarf zu decken. Gut 27'000 Personen ist der Bedarf an Pflegefachpersonal, um die Abgänge durch Pensionierungen und Kündigungen zu ersetzen. Da in den nächsten zehn Jahren nur gut 29'000 Pflegefachleute mit Tertiärabschluss ausgebildet werden, würden rund 14'000 Fachkräfte fehlen.

Beim Pflegepersonal mit einem eidgenössischen Berufsabschluss (Sekundärstufe) wird mit einem Manko von rund 5500 Pflegekräften gerechnet. Zusammen mit den Pflegefachleuten fehlen den Schweizer Gesundheitsinstitutionen bis 2030 rund 20'000 ausgebildete Pflegekräfte.

Die Schweiz wird also auch in Zukunft vom Ausland abhängig bleiben.


Den Personalbestand aufzubauen ist nicht nur eine Angelegenheit der Gesundheitsversorgung

Wie kann man einen Beruf attraktiver machen? Wie kann man den Nachwuchs fördern? Eine angemessene Entlöhnung und gute Arbeitsbedingungen sollten selbstverständlich sein. Doch vielerorts merken Angestellte noch nichts von den Auswirkungen der Pflegeinitiative, die am 28. November 2021 angenommen wurde.

Tatsache ist, es braucht zu allererst eine spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Es braucht eine intensive Aufklärungsarbeit, Information und die Möglichkeit zum Schnuppern. Durch Verbände, durch Schulen, durch Eltern - durch uns alle.

Ja, das bedeutet Aufwand. Gesundheit ist ein gemeinsames Projekt, das uns allen zugute kommt.

14.2.2024, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon