Pflegeinitiative: Perspektiven, die Geduld fordern

Vor zwei Jahren wurde die Pflegeinitiative vom schweizerischen Volk angenommen. Die Hoffnung auf Verbesserung war gross! Inzwischen hat sich zwar vereinzelt etwas getan, und dies wohl mehr auf Eigeninitiative von einzelnen Gesundheitsbetrieben. Es wurden Perspektiven geweckt und seitens der Politik noch wenig dafür getan, zumindest wenn man nicht genauer hinsieht. Denn da ist durchaus Licht am Horizont!

Wir Menschen brauchen Perspektiven und Ziele. Je mehr diese mit unseren eigenen Werten übereinstimmen, desto attraktiver sind sie und geben uns ein gutes Gefühl. Warten auf den spannenden Krimi, der viele unterhaltsame Lesestunden verspricht, auf ein Sachbuch, das spannendes Wissen vermittelt oder auf ein neues Smartphone - alles bestellt und nun freuen wir uns darauf. Das sind kleine Dinge.

Die Pflegeinitiative ist klar ein anderes Kaliber.

Warten fällt hier unendlich schwer. Besonders, wenn man am Limit läuft. Und das tun die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Hier müssen sich Menschen - Entscheidungsträger aus der Politik, die sich oft zu wenig im Gesundheitswesen auskennen - bewegen. Zuerst innerlich, dann äusserlich. Sie müssen Prioritäten setzen und den vermittelten Perspektiven der Initiative Taten folgen lassen.


Politik verstehen

Im Artikel «Warum die Umsetzung der Pflegeinitiative Jahre dauert» begründet der Politologe Marc Bühlmanndie Verzögerung mit den naturgemäss längeren Wegen im politischen System.

Nach dem Anstoss der Initiative brauche es eine «gesetzgeberische Konkretisierung» durch das Parlament, gefolgt von neuen Kompromissen, um die Idee umzusetzen.

Vieles ist davon abhängig, wie praktikabel das Anliegen sei und ob es starke Gegner der Initiative gebe. Bühlmann erklärt, dass es keinen festen Zeitplan für die Umsetzung von Initiativen gibt und es lange dauern kann, bis neue Koalitionen und Allianzen gefunden werden.

Die Mühlen der Gesetze drehen also langsam.

Die Umsetzung wird laut Bühlmann einige Zeit in Anspruch nehmen. Grund: Es müssen sich nicht nur das Gesetz, sondern auch die Kantone und andere Akteure daran halten. Man rechne mit einigen Jahren.


Versprochen und nicht gehalten

«Ich bin dann mal weg» lautet der Titel eines Buches des deutschen Komikers und Autors Hape Kerkeling. Er beschreibt darin seinen spontanen Entscheid, seine Arbeit niederzulegen und sich auf den Jakobsweg zu begeben.

Wann bricht man ab und lässt alles hinter sich? Wenn man lange Zeit über dem Limit lief und keine Perspektiven mehr hat.

Es gibt nichts mehr zu verlieren.

Das ist die Situation im Gesundheitswesen. Da, wo Hoffnung geschürt, vom Volk gutgeheissen und von der Politik nur schleppend umgesetzt wird, ist ein grosser Frust vorhanden!


Gewünscht ist direkte Arbeit mit Patienten und weniger Administration

Der frischgewählte Nationalrat der Grünliberalen, Patrick Hässig, schreibt in einem Kommentar auf Nau.ch:

«Um die Qualität im Gesundheitswesen zu steigern (oder schlicht zu erhalten) braucht es keine neuen Messungen, Excel-Tabellen oder Bundesordner an Papier.»

Der hohe bürokratische Aufwand sorgt für viel Frust und für zahlreiche Berufsaussteiger. Die Regulierung durch die Politik verschlimmere die Situation nur. Medizinisches Fachpersonal wünscht sich die direkte Arbeit mit den Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie gut geführte Gespräche, welche im Anschluss schlau dokumentiert werden. Diese Gespräche seien sehr viel wert. Mehr wert als der weitere Ausbau von Dokumentationen und Programmen.

Jede Institution hat ihr eigenes Dokumentationssystem, welches kaum mit anderen «kommunizieren» kann. Im schlimmsten Fall wird ein Dokument dann gefaxt.


Was medizinisches Personal selbst tun kann

«Es gibt viel zu tun, laufen wir davon.» lautet ein Zitat, das vor langer Zeit in einer Zeitung unter der Rubrik «Dumme Sprüche für Gescheite» aufgeführt wurde. Aussteigen und sich neu orientieren, um den nach wie vor schwierigen Verhältnissen zu entfliehen, ist sehr verständlich!

Doch ganz wichtig: das Gesundheitswesen ist nicht länger allein!

«Anwälte, Bauern, Unternehmerinnen: Davon gibt es im Bundeshaus viele. Doch die Pflegebranche war im Parlament bisher kaum vertreten. Und wenn, dann meist durch Personen, die schon länger nicht mehr auf dem Beruf arbeiteten.», erklärt Yvonne Ribi (47), Geschäftsführerin des Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) im Artikel «Sie wollen die Politik gesund pflegen».

15 Jahre schon arbeitet man daran, Pflegende in die Politik zu bringen, damit vulnerable Menschen und das Gesundheitswesen auf der politischen Bühne der Schweiz wirklich gehört werden. Mit Patrick Hässig und Farah Rumy (Solothurner SP-Vertreterin) ist dies nun endlich gelungen.

Das sind erste Ansätze - letztendlich auch für unser aller gesundheitliche Zukunft. Fakt ist: Nur Dranbleiben verändert wirklich.

30.12.2023, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon