Gesundheitskosten senken: Ja, aber wie?
Mehr ausgeben als vorhanden ist, geht nicht. Das lernen wir schon im ersten Schuljahr. Auf Feld 1 werden Grundlagen gelehrt und gelernt. Der Blick auf unsere Wirtschaft und auf unser Gesundheitswesen zeigt jedoch, dass wir irgendwann, so scheint es, Feld 1 nicht nur verlassen, sondern auch vergessen haben, was wir dort lernten. Ist eine Kostenbremse ohne Einbusse überhaupt machbar? Wie gestalten wir die Zukunft rund um unsere Gesundheit?
Die Kostenbremse-Initiative ist gescheitert. Sie war ein Versuch, unser Gesundheitswesen finanziell wieder auf die richtige Spur zu bringen. Doch sie war, wie viele Initiativen, zu einseitig, zu wenig durchdacht oder setzte am falschen Ort an.
Bleibt die Frage, wie können die Gesundheitskosten gesenkt werden?
Müssen Sie gesenkt werden? Oder ist das Gesundheitswesen ein Sonderfall? Klar ist, so wie es heute ist, kann es nicht bleiben.
Gesundheit hat ihren Preis
Wir dürfen nie vergessen: Unser Gesundheitswesen hat sich enorm weiterentwickelt!
Dank verbesserter Früherkennungsmethoden können schwere Krankheiten geheilt oder die Lebensqualität möglichst lange erhalten werden.
Forschung und Weiterentwicklung kosten erst einmal, bevor sie eine Rendite abwerfen.
Doch darf man im Bereich der Gesundheit überhaupt von Rendite sprechen? Ist hier Gewinndenken berechtigt? Ist es nicht eine gemeinsame Aufgabe unserer Gesellschaft, kranke Menschen bedingungslos zu unterstützen? Wir alle sind froh, wenn wir im Notfall auf professionelle Hilfe zählen können.
Renditedenken fühlt sich darum auch irgendwie falsch an - und doch messen wir unser Gesundheitswesen daran - als wäre es ein Wirtschaftsbetrieb.
Kann Gesundheit geplant werden?
Ratgeber-Apps, finanzielle Beiträge zu Fitnessprogrammen, Tipps für gesunde Ernährung, Künstliche Intelligenz: Wir sind heute in der Lage, Gesundheit präventiv zu fördern. Die Rechnung ist einfach. Wer gut für sich sorgt, bleibt länger gesund, oder anders formuliert: "kostet weniger". Insofern kann im Alltag viel für unsere Gesundheit getan werden.
Das Gesundheitswesen kann nicht im Voraus von gleichen Fallzahlen ausgehen, da es auf seine Kunden im Vorfeld keinen Einfluss nehmen kann.
Wie also kann genau geplant werden? Gesundheit orientiert sich nicht an den Dienstleistungen oder der Mitarbeitenden-Zahl im Betrieb.
Bürokratisierung bremst
Ende der 1990er-Jahre kam das Controlling auf. Arbeitsabläufe mussten immer mehr und immer genauer erfasst werden. Jede Minute zählt. Mit dem Ziel, Entscheidungsgrundlagen zu erhalten und Kostenwahrheit zu erzielen. Das ist im Grund genommen ein guter Ansatz. Wenn diese Statistikaufgaben aber dem Pflegepersonal aufgebrummt werden, auf ihre anspruchsvolle Arbeit obendrauf, hat man weder das Gesundheitswesen noch dessen Auftrag wirklich verstanden.
Pflegende haben für ihre Profession eine mehrjährige Ausbildung auf sich genommen und lassen sich zudem auf unregelmässige Arbeitszeiten ein. Ihre Aufgabe ist in erster Linie die Pflege.
Wie viele wurden bereits mit übermässiger Schreibarbeit vergrault...
Daten erfassen ist das eine. Sie richtig einzuordnen, das andere. Dazwischen liegt ganz viel Deutungsspielraum. Als Folge von Fehlinterpretationen werden noch mehr Daten erfasst. Arbeitsabläufe erfassen durch noch mehr Bürokratisierung ist ein Fass ohne Boden.
Controlling ja, aber im Mass
Kontrolle ist für jeden Betrieb, egal welcher Grösse, sehr wichtig. Unternehmen, die keine Kennzahlen haben oder nicht regelmässig einen Blick auf den Gesundheitszustand ihres Betriebes werfen, werden unter Umständen krank und gehen Konkurs.
Die Frage ist, wie viel, wann und wo.
Wir werden durchschnittlich wesentlich älter als noch vor ein paar Jahrzehnten. Gesellschaftliche Veränderungen haben einen grossen Einfluss auf unser Gesundheitswesen. Nicht alle sind erkenn- oder steuerbar. Corona hat dies deutlich gezeigt.
Controlling muss also gut positioniert werden.
Verantwortung wahrnehmen
Das Gesundheitswesen wird grossenteils von der Politik gesteuert. Von Menschen, die noch nie in einem Pflegebetrieb gearbeitet haben. Besteht so nicht die Gefahr, dass an der Praxis und an den Werten von Spitälern und Heimen vorbei entschieden wird?
Vorgaben. Regeln. Compliance. Es hört nicht mehr auf und hat letztendlich ein Ziel: Möglichst viel Gewinn zu erzielen. Dabei wäre "selbsttragend" für das Gesundheitswesen doch ein guter Erfolg.
Selbsttragend. Verantwortung selber tragen und ausleben. Gesundheit gehört in professionelle Hände. In die der Betriebe. Damit eine Kostensenkung dort angesetzt werden kann, wo sie wirksam ist, ohne den Betrieb zu gefährden.
Abläufe überprüfen und vereinfachen. Digitalisierung so einsetzen, dass sie betriebsübergreifend eingesetzt werden kann. Nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich die gleiche Sprache sprechen, sondern auch digital.
Werden Betriebe nach dem Ziel, Kosten zu senken, gemessen, verlieren sie ihr eigentliches Ziel: kranke Menschen zu pflegen.
Da ist noch etwas: unsere eigene Verantwortung
Verantwortung abdelegieren ist manchmal so einfach. Anderen die Schuld geben. Diese Haltung geht in Sachen Gesundheit nicht auf. Die Verantwortung für unsere Gesundheit liegt in erster Linie bei uns selbst.
Gesundheit bedeutet, wie schon erwähnt, gut für sich zu sorgen. In Eigenverantwortung.
Sich regelmässig zu bewegen und genügend zu schlafen.
Es ist erstaunlich, wieviel regelmässige Bewegung und gesunde Ernährung bewirken können.
Den Wenigsten von uns ist bewusst, dass wir damit uns und der Gesellschaft einen grossen Gefallen tun.
Gesünder zu leben ist auf jeden Fall ein Gewinn und gleichzeitig der wichtigste und effizienteste Beitrag zur Senkung der Kosten im Gesundheitswesen.
19.7.2024, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon