Quereinstieg in die Pflege? Warum nicht?
Ist unser Gesundheitswesen als Arbeitgeber noch attraktiv? Wir glauben ja! Doch da sind zum einen die oft zitierten fehlenden Fachkräfte und zum anderen die herausfordernde Umstellung auf Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Für medizinische Fachkräfte muss sich dies manchmal so anfühlen wie im falschen Film. Lohnt es sich, eine Umschulung zu wagen und in einen Pflegeberuf einzusteigen? Ein beruflicher Einstieg lohnt sich auf jeden Fall, wenn gewisse Bedingungen stimmen.
Veränderungen, Zeitnot und Fluktuationen sind in praktisch jedem Beruf zu finden. Was die Veränderungen im Gesundheitswesen von anderen Branchen unterscheidet, ist die Planbarkeit.
Kranke Menschen lassen sich schlecht verplanen. Bei jedem Patienten und jeder Patientin ist der Krankheitsverlauf anders. Von Unfällen ganz zu schweigen. Die kennen keinen Zeitplan.
Da das Berufsbild der Krankenpflege sein ursprüngliches Gesicht stark verändert hat, gibt es für Pflegefachkräfte Einiges an Herausforderungen zu verarbeiten.
Und doch gibt es Menschen, die bewusst in die Pflege einsteigen.
Und andere Erfahrungen machen können, als wie sie in manchen Medien zu lesen sind.
Vielseitigkeit und Flexibilität sind zu wenig bekannt
Jelena Candelieri studiert im fünften Semester Pflege. Sie arbeitet auf der Demenzabteilung in einem Pflegezentrum der Stadt Zürich " (Link)" Candelieri stammt aus Serbien und hat dort eine Ausbildung in einem Reisebüro gemacht. Der Liebe wegen ist sie in der Schweiz gelandet und hier durch Zufall in der Pflege. Ein klassischer Quereinstieg also. Was sind ihre Beweggründe? Wie erlebt sie Pflege?
Jelena Candelieri erzählt in einem Interview mit der Stadt Zürich: "Die Vielseitigkeit und Flexibilität, die der Beruf bringt, sind zu wenig bekannt. Menschen sind keine Computer, die nach Programm funktionieren. Jeder Tag ist anders: auch mit ein und demselben Bewohner. Man geht ins Zimmer und es zeigt sich einem ein Bild, mit dem man arbeitet. Man muss sich immer auf etwas Neues einstellen. Darum wird einem auch nie langweilig. Was man gibt und was man zurückbekommt, ist enorm. Das ist einfach schön."
Da sie keine Verwandten in der Schweiz hat, erlebt sie ihre Arbeit als eine Art Ersatz für die fehlenden Familienangehörigen, wobei sie ganz bewusst auf die professionelle Distanz achtet. Jelena Candelieri fühlt sich wohl in ihrem Beruf, was die Bewohnenden spüren.
"Es ist eine besondere Beziehung zwischen uns, die über Worte hinausgeht."
Die Arbeit in der Pflege habe sie auch sehr viel über das eigene Leben gelehrt und ihr einen neuen Blick aufs Leben gegeben. Jelena Candelieri lebe heute bewusster und verstehe viel besser, was sie tun muss, um zufriedener zu sein.
"Man kann sagen, in der Pflege zu arbeiten, hat mich weise gemacht."
Dankbarkeit nimmt dem Stress manchmal die Macht. Doch reicht ein Quereinstieg, um Pflege anders bzw. stressfreier zu erleben?
Ansätze: Ein anderer beruflicher Anfahrtsweg
Neue Mitarbeitende, bzw. Quereinsteiger sind meist weniger vorbelastet. Sie wissen nicht, wie es früher war und darum auch heute noch sein sollte.
Das kann von Vorteil sein. Der berufliche wie private Werdegang von Jelena Candelieri ist sicher ein Einzelfall und darf nicht verallgemeinert werden. Doch er enthält viele positive Ansätze, die nachahmenswert sind.
Und was ist mit den langjährigen Mitarbeitenden? Viel Erfahrung, viel Hoffnung, viel Enttäuschung?
Die grosse Erfahrung und hohe Kompetenz von langjährigen Mitarbeitenden gehören zu den wichtigsten Faktoren im Change-Management - wenn sie denn in den Veränderungsprozess mit einbezogen werden! Es ist oft nicht nur die Mehrbelastung, die mit der Zeit zu viel wird, sondern auch der Umgang mit den Pflegefachkräften selbst. Seit jeher wollen Menschen mitgestalten. Wollen gesehen und gehört werden.
Nichts ist so zermürbend, wie alltagsfremde Entscheide aus höheren Hierarchiestufen, wo ganz offensichtlich keine Ahnung vom praktischen Pflegealltag besteht.
Kommt nicht vor? Doch! Punkt.
Was also macht eine attraktive Stelle in der Pflege aus?
- Mitdenk-Recht
- Mitfühl-Recht
- Feedback-Recht
- Sich-Gehört-Fühlen-Recht
Das sind drei wichtige Grundpfeiler für Langzeitbeziehungen. Diese gelten für jedes soziale Netz. Auch für Arbeitsbeziehungen.
Oh je. Das klingt nach "Viele Köche verderben den Brei". Nach zahlreichen überflüssigen Diskussionen. Nein!
Der Punkt ist, es geht ums wahrgenommen und gehört Werden.
Merken, meine eingebrachten Impulse und Lösungsansätze werden berücksichtigt oder zumindest diskutiert - das ist einer der wichtigsten Punkte für motivierte Angestellte. Es geht nicht ums Rechthaben oder darum, sich immer durchsetzen zu müssen, sondern um das Wissen und Erleben, MitgestalterIn zu sein. Gelebte Verantwortung will Wirksamkeit sehen. Insbesondere in einem Beruf wie der Pflege braucht es Fachkräfte, die mitdenken und sich aktiv einbringen.
Wer mit Menschen arbeiten will, hat das ganze Menschsein im Fokus. Keine rationelle Abfertigung, sondern ein Geben und Nehmen. Diese Voraussetzungen werden früher oder später auch für Quereinsteigende wichtig. Spätestens wenn der Alltag Einzug nimmt.
Ein alternativer Weg für bewährte Pflegefachkräfte ist es, eine andere, attraktivere Stelle zu suchen.