Verzicht auf temporäre Pflegekräfte der Zürcher Krankenhäuser

Der Verband der Zürcher Krankenhäuser (VZK) hat entschieden, künftig auf temporäre Pflegefachkräfte zu verzichten. Grund: Diese von externen Vermittlern verursachen hohe Kosten und verdienen oft mehr als festangestelltes Personal. Swissstaffing, der Verband der Temporärangestellten, klagt deshalb bei der Wettbewerbskommission (Weko) wegen Boykott und Machtmissbrauch. Wie die Weko entscheidet, ist offen. Fest steht: Der Schritt birgt eine grosse Chance für das Gesundheitswesen.

"Kartellrechtlich unzulässiger Boykott/Gruppenboykott", "Marktmachtsmissbrauch", so lautet die Anschuldigung von Swissstaffing, dem Arbeitsverband der Temporärangestellten gegen die Zürcher Krankenhäuser. (Quelle: "Der Entscheid der Spitäler ist kartell¬rechtlich hochriskant" - Tagesanzeiger.ch, 8.6.2025.

Eine Anklage mit Vorgeschichte, einer kranken Ausgangslage und neuen Chancen. Betrachten wir eins ums andere.

Die Vorgeschichte

Wie immer bei einem Konflikt, gibt es eine Vorgeschichte mit jeweils unterschiedlichem Verständnis der Situation. Dabei hat jede Partei ihre ganz persönliche Sichtweise, die sich an den eigenen Vorteilen orientiert. Im genannten Fall sieht dies so aus:

  • Viele Pflegefachkräfte hatten in den Spitälern gekündigt und eine Stelle bei Temporärfirmen angenommen. Grund: besserer Verdienst und auch bessere Einflussnahme auf Arbeitszeiten. Den bestehenden Mitarbeitenden bleiben oft nur die unangenehmen Dienste.
  • Die Zürcher Krankenhäuser können mit einem Verzicht auf diese vermittelten Mitarbeitenden jährlich rund 20 Millionen Franken sparen. Eine stattliche Summe also. Diesem Vorhaben hat auch Regierungsrätin Natalie Rickli zugestimmt.

Und dem würden wohl auch alle zustimmen, die ein Unternehmen führen und merken, hier verdient jemand viel Geld auf Kosten der Allgemeinheit. Schwierge Situationen auszunützen, wie sie durch den Fachkräftemangel entstanden, zeugt für einen Mangel an Fairness.

Swissstaffing sieht das anders. Der VZK und die Zürcher Spitäler würden damit Personalverleiher als Wettbewerber ausschalten, "was zu einer starken Wettbewerbs¬schädigung führt", steht in der Anzeige, die der Tagesanzeiger-Redaktion vorliegt.

Laut VZK hat man sich im Vorfeld rechtlich beraten lassen und geht davon aus, dass dieses Begehren unbegründet ist.

Die heiklen Punkte

Auf den ersten Aussenblick denkt man, dass jede Firma und jedes Unternehmen ein Recht besitzt, seine Kosten zu überprüfen und entsprechende Massnahmen einzuleiten.

  1. Doch hier liegt eine "Absprache, eine sogenannte Abrede über Bezugsmengen" vor.
  2. Ebenfalls kritisch ist die Tatsache, dass die Temporärangestellten nur noch direkt angestellt würden und das zu einem tieferen Lohn (mehr dazu am Ende dieses Artikels). Das führt zu einem Druckaufbau auf diese Angestellten.
  3. Es stellt sich die Frage: Wurde dieser Entscheid vom Verband oder von den einzelnen Spitälern getroffen? Wenn ersterer der Antreiber war, liegt der Vorwurf, diese Temporärarbeitsfirmen vom Markt zu verdrängen, nahe.

Es liegt nun an der Weko, den Fall zu überprüfen.

Wie viel nützen Temporärangestellte?

Aus Angestelltensicht ist es verständlich, dort zu arbeiten, wo man mehr verdient.

Und es ist offensichtlich, dass Temporärangestellte in den Spitälern Entlastung bieten. Auf der anderen Seite haben auch festangestellte Mitarbeitende aus den Gesundheitsbetrieben gekündigt und zu den Temporärarbeitsfirmen gewechselt, weil sie dort bessere Mitgestaltungsmöglichkeiten vorfinden und besser bezahlt werden.

Diese Situation wurde durch den zunehmenden Spardruck sicher gefördert. Man stimmt ja auch mit den Füssen ab. Entstanden ist eine Druck- und Kostensituation für die Krankenhäuser. Aufgrund des Fachkräftemangels musste (!) man auf das Angebot von Temporärfirmen zugreifen.

In dem Sinn stellt sich die Frage, wie stark diese Firmen mit ihrem Geschäftsmodell den Fachkräftemangel begünstigen und so die Gesundheitskosten noch höher treiben.

Dass sich die Temporärfirmen gegen den Entscheid wehren, ist ebenso nachvollziehbar. Da wurde einiges in Infrastruktur, Management, Ausbildung etc. investiert. Kein Unternehmen kann fehlende 20 Millionen einfach wegstecken. Es muss zu Kündigungen kommen.

Doch Achtung: Etwas anzubieten, das auch anders gelöst werden kann, ist immer mit Risiken behaftet. Irgendwann -- lieber früher als später -- muss vonseiten der Spitäler eine Kosten-Nutzen- Rechnung erfolgen.

Kostenüberwachung ist Pflicht. Das erwarten Steuerzahlende und Politik. Und dies absolut zu Recht.

Der Entscheid der Zürcher Krankenhäuser war darum längst notwendig. Er ist mutig und scheint in die richtige Richtung zu gehen. Dieses Phänomen betrifft nicht nur das Gesundheitswesen. Überall, wo Zwischenverdiener zu hohe Preise verlangen, fördern Firmen den Direktweg.

Es geht um die Verhältnismässigkeit der Kosten!

Können die Gesundheitsbetriebe selbst eine funktionierende Lösung aufbauen, sieht es für Temporärfirmen mittelfristig eher schlecht aus. Das nennt man Unternehmensrisiko.

Was wäre, wenn die Spitäler zurück auf Feld 1 gingen?

Was gewinnt Swissstaffing, wenn es recht bekommt? Dann darf die gemeinsame Absprache nicht eingehalten werden, berichtet der Tagesanzeiger. Allerdings darf jedes einzelne Spital für sich selbst entscheiden, ob es Temporärangestellte einstellen will oder nicht.

Und so bleibt man als Beobachter mit der Frage zurück, was eine solche Anzeige überhaupt bringt.

Gibt es ein Gesetz, das vorschreibt, wo Spitäler ihre Mitarbeitenden akquirieren müssen?

Hoffentlich nicht! Diese Freiheit braucht jeder Arbeitgeber.

Normalerweise sind Firmen in der Pflicht, ihr Angebot so zu gestalten, dass Kunden freiwillig ihre Dienste beanspruchen. Dass sie den Gewinn für sich erkennen und nicht Druck oder Abhängigkeit. Dies erfordert einen fortlaufenden Austausch mit bestehenden und potenziellen Kunden. Es geht darum, marktgerechte und attraktive Produkte oder Dienstleistungen zu erstellen im Sinn von Win-win. Und es geht um ein faires Pricing!

Das sind Marktgesetze. Punkt.

Chancen für Spitäler

Im Grunde genommen bietet sich den Spitälern die Möglichkeit, ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die eigene Attraktivität zu steigern. Dann sind die besagten 20 Millionen besser eingesetzt und man bleibt unabhängiger.

Das wiederum sind Arbeitnehmergesetze und sie beinhalten grosse Chancen für alle!

2.7.2025, Andreas Räber, Enneagramm Trainer Cp, Wetzikon