Stopp der Personal«fluchtuaktion»: Temporär oder festangestellt - was hilft der Pflege wirklich?
Der Pflegenotstand gibt nicht nur zu denken, sondern auch viel zu reden. Es fehlt an Fachkräften an allen Ecken und Enden. Neue Mitarbeitende zu gewinnen, wird zur Herausforderung. Unregelmässige Arbeitszeiten und bescheidener Lohn sind zwei Hauptgründe, warum Pflegende kündigen. Doch nicht alle verlassen den Beruf. Sie lassen sich temporär anstellen. Gemäss dem Branchenverband Swissstaffing waren dies im Jahr 2022 7500 Pflegende. Doch sind temporäre Anstellungen wirklich eine Lösung?
Der Vorteil für Mitarbeitende von Temporärbüros: Sie können ihre Schichten oft relativ frei wählen und verdienen sogar mehr. Also genau das, was ein Ziel der Pflegeinitiative war. Ein Gewinn, könnte man meinen. Doch nur für die Temporären. Denn all die Festangestellten, die Treue beweisen und trotz der schwierigen Bedingungen bleiben, werden noch mehr benachteiligt.
Doch sind Temporär-Mitarbeitende tatsächlich schuld, wenn sie sich für diesen Weg entschlossen haben?
«Plötzlich geht, was als Festangestellte bisher nicht ging», wird eine Fachfrau Gesundheit im Artikel «Krankes System» - SP-Frau schiesst gegen Temporär-Boom in der Pflege» auf 20Min.ch zitiert. Es ist das alte Lied:
Mit der Pflegeinitiative kam die Hoffnung auf Besserung und mit der ausbleibenden Umsetzung der totale Frust. Es ist das träge Handeln von Politik und einigen Verantwortlichen im Gesundheitswesen, die letztendlich für die Personal«fluchtuaktion» verantwortlich sind.
Doch hier dürfen wir alle nie und nimmer stehen bleiben! Das Gesundheitswesen betrifft ausnahmslos alle BewohnerInnen der Schweiz. Und wir tun gut daran, es als unser aller Aufgabe zu sehen, es in welcher Form auch immer zu unterstützen! Und sei es nur, wenn wir unserer Gesundheit mehr Sorge tragen.
Wegsehen geht nicht mehr! Plötzlich brauchen wir gesundheitliche Hilfe und sind darauf angewiesen, dass wir auf kompetentes und freundliches Pflegepersonal treffen.
Verantwortungsdiffusion führt ins Chaos
Als Menschen neigen wir dazu, Verantwortung an andere abzudelegieren. Warum etwas ändern, solange es mir gut geht? Warum sich aufmachen, hinstellen und sich am Ende noch blamieren? «Ich doch nicht! Das können andere besser.»
Wegsehen fühlt sich im Moment gut an, kann sich jedoch im Nachhinein sehr nachteilig auswirken. Weil wir tief in uns wissen, dass wir für die Gemeinschaft geschaffen sind.
Die grössere Chance, dass sich etwas bewegt, ist, dass wir uns selbst bewegen. Gemeinsam!
«Wenn ihr schnell gehen möchtet, geht alleine; wenn ihr weit gehen möchtet, geht zusammen.», lautet ein afrikanisches Sprichwort.
Bei der gegenwärtigen prekären Situation im Gesundheitswesen geht es um nachhaltige Lösungen.
Festanstellung: Sich im Team entwickeln können
Es ist ein seltsames Ding, dass man Herausforderungen in einem guten Team weniger schlimm erlebt, als wenn man alleine ist.
Dazu ein praktischer Tipp, wie Sie die Wirksamkeit eines nur schon ganz kleinen Teams erleben können. Es ist ganz einfach.
Gehen Sie zu zweit einen steilen Weg hoch. Legen Sie dann je einen Arm um den anderen und gehen Sie ein Stück auf diese Weise. Dann lassen beide auf Kommando los.
Sie werden erstaunt sein, welchen Unterschied Sie spüren werden. Allein den Berg hoch erfordert eindeutig mehr Kraft. Sich in einem Team alleine fühlen ebenso.
Die Kraft des Miteinanders hingegen potenziert sich!
Vorteile einer Festanstellung
Dazugehören. Dabei sein. Im Team mitarbeiten. Es gemeinsam schaffen. Das sind Gefühle, die uns verbinden und stärken. Da wir uns als Menschen nur am Du zum Ich entwickeln können (Martin Buber), profitieren wir von einem gemeinsamen Unterwegssein.
Es ist die wertvollste aller Weiterbildung: Wir nennen Sie Praxiserfahrung.
Gemeinsam erleben. Andere besser wahrnehmen. Geben und nehmen. Vertrauen aufbauen und empfangen. Das Gefühl erleben, dass «es zwischen Mitarbeitenden fliesst». Darf dies sein? Teamentwicklung als Ziel definieren?
Das geht allerdings nicht mit sinnloser Administration und Erfassen von Statistiken, die sich niemand wirklich ansieht.
Gesundheit lässt sich nicht mit Zahlen fördern, sondern ausschliesslich mit Beziehung und Fachkompetenz!
Benefits für Festangestellte
Immer mehr Spitäler bieten verschiedene Arbeitszeitmodelle und Benefits an.
Mögliche Benefits sind zum Beispiel:
- Gute soziale Leistungen
- Faire Entlöhnung
- Jahres- und Teilzeitarbeit
- Auch mit 65+ noch arbeiten dürfen
- Unbezahlter Urlaub
- Weiterbildungen
- Coaching
Auch in der Wirtschaft ist längst bekannt, dass es viel effizienter ist, bestehende Mitarbeiter halten zu können, als dauernd neue einzuführen.
Und nun? Temporär oder fest angestellt?
Temporär soll nur eine Zwischenlösung sein, ist es doch auch für Patienten enorm wichtig, beständige Begleitung zu haben, damit Vertrauen entstehen und Ängste abgebaut werden können.
Vulnerable Menschen sind sensibel und brauchen Kontinuität. Ein Umstand, der ganz klar für Festanstellungen spricht.
Temporäre Arbeit lebt letztendlich vom Druck, die anstehende Arbeit zu bewältigen. In diesem Sinne wirkt sie sicher entlastend. Doch sie mutiert zu einem Businessmodell, mit dem sich zu (!) viel Geld verdienen lässt. Sie schafft eine Ungleichheit und doch ist sie ohne Wenn und Aber in gewisser Weise ein Vorbild.
Bessere Arbeitsbedingungen und Entlöhnung der Festangestellten nehmen der temporären Anstellung den Antrieb. Vielleicht sogar schneller, als man sich vorstellen kann ...
Und so landen wir bei der alten Weisheit: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.» Auf das Gesundheitswesen übersetzt: «Es gibt genügend Personal, wenn es fair behandelt wird.»