Hausärzte-Mangel: Bessere Voraussetzungen schaffen

Der Fachkräftemangel gehört bereits zu unserem Alltag. Bei einigen Berufsfeldern kann es uns jedoch echt weh tun. Zum Beispiel bei den HausärztInnen.

"Warum sind Sie da?" Diese Frage stellte mir mein Hausarzt immer, wenn ich ihn konsultierte. Inzwischen ist er pensioniert. Diese Frage hatte etwas Heimeliges. Etwas Vertrautes und Persönliches. Ich brachte mein Anliegen vor, zählte auf sein zuverlässiges Fachwissen und ging meistens entspannt wieder nach Hause.

Hausärzte: Sie erfahren viel über uns. Wir entblössen uns psychisch wie physisch. So werden sie mit der Zeit zu Vertrauenspersonen. Das ist auch richtig. Denn Vertrauen ist für den Gesundungsprozess sehr wichtig.

HausärztInnen waren bis jetzt wie selbstverständlich für uns. Wie das Brot beim Beck hatte fast jedes Dorf einen Hausarzt. Und auf einmal ist das nicht mehr so. Immer mehr Hausarztpraxen schliessen, was es den PatientInnen nicht gerade erleichtert, einen neuen Platz zu finden.

"Wir können niemanden mehr aufnehmen. Tut mir leid." So weit hätten wir früher nie gedacht! "Helfen" ist eine Passion vieler Menschen. Arzt oder Pflegerin sind Wunschziele, die Kinder oft nennen, wenn sie nach ihrem zukünftigen Beruf gefragt werden.

Was hat sich verändert? Was wurde bisher - auch seitens der Politik - in dieser Situation getan?

Geschichte: Zu viele Arztpraxen!?

Zurück, fast auf Feld 1.

"Ein Grossteil des Ärztestandes fürchtete sich vor der sogenannten ärztlichen 'Plethora', einem Überangebot an Arztpraxen mit ruinösem gegenseitigem Wettbewerb."

Diese heute kaum vorstellbare Situation ereignete sich im 19. Jahrhundert. Der Grund dafür war, dass Preussen die Kurierfreiheit eingeführt hatte. Das hiess: Jeder, der sich berufen fühlte, konnte medizinische Dienstleistungen anbieten. In der Schweiz schufen einzelne Kantone ähnliche Regelungen. In anderen verhinderte die Ärztegesellschaft jedoch eine solche Öffnung. (Quelle: geschichtedersozialensicherheit.ch)

Man bedenke, dass die Schweiz im Jahr 1850 etwas über 2 Millionen EinwohnerInnen hatte. Heute sind es viermal mehr. Diese Vervierfachung erfolgte unter anderem auch durch die Zuwanderung aus dem Ausland.

Die NZZ nennt im Artikel "Der Ärztemangel wird sich verschärfen", dass zurzeit etwa 4'000 Hausärzte in der Schweiz fehlen. Einer von vielen Gründen ist die mit dem Hausarztberuf verbundene Verantwortung und die lange Arbeitszeit.

Wenn sich die einen weigern, müssen die anderen umso mehr

Es sind nicht nur weniger HausärztInnen, sondern auch viel mehr EinwohnerInnen in der Schweiz. Mit der logischen Folge, dass bestehende Arztpraxen noch mehr Patienten abdecken müssen.

Das führt dazu, dass einzelne HausärtzInnen bis zu 70 h arbeiten müssen. Weil die einen nicht wollen, müssen die anderen.

Das spürt auch der Notfall (siehe Artikel "Steigende Gesundheitskosten im Gesundheitswesen" intern verlinken).

Wenn Hausarztpraxen geschlossen sind, gehen die Menschen vermehrt in den Notfall. In der Folge ist dieser überlastet.

Eine Situation, die uns alle betrifft - und so nicht bleiben darf.

Die Frage ist, wo, wie und wann welche Weichen gestellt werden können. Ein möglicher Ansatz ist, die Voraussetzungen zu verändern.

Voraussetzungen schaffen

Eine "Öffnung", wie sie in der Geschichte verhindert wurde, dürfen wir heute entspannt in "neue Möglichkeiten" umkrempeln. Mit dem gemeinsamen Ziel, die Versorgungssicherheit in der Schweiz zu gewährleisten.

Wenn der Nachwuchs fehlt, müssen Anreize für Beruf und Ausbildung geschaffen werden.

  • Mehrere Universitäten haben darum in den letzten Jahren Lehrstühle für die Hausarztmedizin geschaffen.
  • Auch Praxisassistenz-Programme, bei denen die Kantone Teile der Lohnkosten übernehmen, wurden eingeführt.
  • Um den Notfall zu entlasten, haben Unispitäler eigene Hausarztpraxen eingerichtet.
  • Künstliche Intelligenz wird Schritt für Schritt eingeführt, um vor allem den enormen administrativen Aufwand zu senken.
  • Weiter werden vermehrt Aufgaben durch Pflegekräfte übernommen, die bisher durch den Hausarzt erledigt wurden.

Was gut ist, soll noch mehr gefördert werden. So will die Gesundheitskommission des Ständerats, dass die Tarife in der Grundversorgung erhöht werden - und sie möchte ein Gesetzespaket, das mehr Ausbildungsplätze schafft.

Es sind erste Schritte. Grundlagen. Klarheit. Anreize.

Dazu gehört eine eingereichte Motion für höhere Hausarzt-Tarife. Eine weitere verlangt vom Bundesrat einen Gesetzesentwurf, der "eine wirklich ambitionierte Politik gegen den Ärztemangel" schafft.

Verantwortung ist freiwillig, aber immens wichtig!

Es sind oftmals Unwissen und Bequemlichkeit, die zu Engpässen führen. Denn Möglichkeiten gibt es heute schon einige.

  • Ist zum Beispiel ein kleiner Unfall passiert oder man ist krank, kann ein Anruf beim Teledoktor der jeweiligen Krankenkasse bereits für Entlastung sorgen.
  • Unfälle geschehen oft, weil etwas "schnell gehen muss". Dabei ist ruhig Blut meist der bessere Weg.
  • Bei Beschwerden nicht so lange warten, bis es "nicht mehr anders geht".
  • Risikoreiche Arbeiten und Sporttätigkeiten erfordern eine hohe Konzentration. Bei Übermüdung sollten diese verschoben werden.

Unser Gesundheitswesen funktioniert am besten, wenn die Arbeitsbedingungen möglichst fair sind. Dann wird "HausärztIn" wieder ein Traumberuf.

14.2.2025, Andreas Räber, Enneagramm Trainer Cp, Wetzikon