Coaching-Tipp: Unsere innere Logik, Lebensmuster entschärfen

Peter X. ist Pflegefachmann. Zu seinem Berufsalltag gehören grosses Fachwissen und viel Flexibilität. Trotzdem kann er, insbesondere in hektischen Zeiten, die Entscheide der leitenden Ärztin nicht nachvollziehen und weiss, er würde anders entscheiden. Seine Wahrnehmung sagt ihm etwas völlig anderes als die Ärztin erklärt. Warum unsere innere Logik und unsere Lebensmuster uns manchmal im Weg stehen können.

Wenn ein Kind zur Welt kommt, orientiert es sich an seinem Umfeld. Es lernt zuerst von seinen Eltern und Geschwistern. Später kommen Kindergarten und Schule dazu. In dieser Zeit lernt es zu verstehen, dass es noch andere Sichtweisen gibt, manche sogar, die denjenigen der eigenen Familie widersprechen. Mit dem Teenageralter erfolgt allmählich eine Loslösung vom Elternhaus.

Was hat das mit unserem Beispiel von Pfleger Peter X. zu tun? Viel.

Lebensmuster und innere Logik prägen unsere Sicht der Dinge

Unsere Familie prägt uns mit den Werten und Sichtweisen ihrer Zeit. Für Kinder stellt sich immer die unbewusste Frage: Wie bekomme ich am meisten Aufmerksamkeit? Dabei unterscheiden sie nicht zwischen positiver und negativer Aufmerksamkeit. Hauptsache gesehen werden. Hauptsache dazugehören. Wenn nicht positiv, dann halt negativ.

So findet jedes Kind unbewusst seine Rolle und erlebt seine Familie und deren Einstellung als richtig. Erst im Lauf des Erwachsenwerdens kann es Meinungen und Handlungen reflektieren und wird selbstkritischer. Doch bis dahin sind innere Logik und Lebensmuster schon fix eingeübt. «So wurden wir erzogen» und «Wir haben nichts anderes gekannt» sind Aussagen, die von älteren Menschen oft gemacht werden.

Lebensmuster: Während jemand immer nur die Gefahr sieht, sucht jemand anders vielleicht nach Möglichkeiten. Während jemand eher auf Beziehungen baut, setzt jemand anders auf Perfektion.

Wir alle haben eine innere Logik, bzw. einen inneren Kapitän, der unser Lebensschiff steuert.

Zu diesem inneren Kapitän kommt noch unser soziales Umfeld dazu, von dem wir uns prägen lassen. Kindern aus ärmlichen Verhältnissen erscheinen Geldmünzen grösser als Kindern aus wohlhabenden Familien und wer sich modern kleidet, empfindet sich auch als modern.

Unsere Biografie und unser Umfeld steuern unsere Wahrnehmung und unser Handeln.

Unsere inneren Stimmen

Vordergründig begegnen sich Menschen und im Hintergrund agieren unbewusst Biografien, Lebensmuster und Denkweisen.

Das Wichtigste:

Jeder hat aus seiner Sicht recht. Wir sehen unsere eigene gefühlte Wahrheit.

Goethe schrieb: «Man sieht nur, was man weiss.» Anders gesagt: Was wir nicht wissen, können wir nicht erkennen.

Wir müssen Neues zuerst sehen, schmecken, tasten und es mit unseren Emotionen erfassen können. Weil wir verschieden geprägt sind, nehmen wir Ereignisse auch verschieden wahr.

Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, hat sich alle neuen Erkenntnisse innerhalb von 30 Minuten notiert. Darwin wusste, würde er länger warten, würde sein Innenleben seine Wahrnehmung schnell verwässern.

Geschieht ein Unfall oder ein Verbrechen, müssen Zeugen innert kurzer Zeit befragt werden, weil sonst sogenannte «False Memories» (falsche Erinnerungen) eintreten. Will heissen, unser Denken holt ähnliche Ereignisse und Menschen aus der Vergangenheit und passt das Geschehene automatisch an bekannte Begebenheiten an.

Anders Denken = anders Sehen und Handeln

Die Frage ist nun, was bedeutet das für die Teamarbeit? Was bedeuten diese Erkenntnisse für unsere Beziehungen?

  • Wenn wir uns bewusst sind, dass unsere eigene Sicht und Meinung eine von vielen ist,
  • wenn wir erkennen, dass die Argumente und Sichtweisen anderer durchaus ihre Berechtigung haben,
  • wenn wir in der Kombination, im gegenseitigen Austausch besonders die Möglichkeiten, statt Sieg oder Niederlage sehen,

ist diese Vielseitigkeit eine echte Chance für

  • die eigene Persönlichkeitsentwicklung,
  • interne Abläufe,
  • ein auch unter Druck funktionierendes Teambuilding und
  • für die Patienten.

Unsere Einstellung bewirkt Entscheidendes

Den grössten Einfluss auf Veränderungen haben wir selbst. Ein vertiefter Blick in unsere Biografie deckt unsere Lebensmuster auf und fördert somit unsere Wahrnehmung. Nur wenn wir uns kennen, können wir uns ändern. Das geschieht in kleinen Schritten. Aber es geschieht.

Kleine Erfolge helfen, unsere Einstellung zu verändern. Weil wir spüren, es lohnt sich. Der neue Weg geht weiter. Vielleicht merken wir keine Veränderung. Aber unser soziales Umfeld. Vielleicht werden wir plötzlich gehört und unsere Hinweise werden ernst genommen.

Peter X. hat sich Gedanken über seine Biografie gemacht. Dabei ist ihm aufgefallen, dass er zu Perfektionismus neigt. In einem Buch liest er, dass Perfektionisten nie ans Ziel kommen. Sie und ihr Umfeld können ihrem Anspruch nach Perfektion niemals genügen.

Er erkennt das Hamsterrad, in dem er die ganze Zeit gerannt ist. Dank seiner intensiven Auseinandersetzung mit seinen Gewohnheiten denkt er nicht mehr in Idealfällen, sondern realistischer. Durch diese Kompromissbereitschaft wird er auch menschlich zugänglicher. Sein genaues Arbeiten und seine Zuverlässigkeit werden im Team allmählich positiv wahrgenommen. Wenn es um Genauigkeit geht, wird Peter damit beauftragt.

Aus inneren Blockaden wird Schritt für Schritt eine erfolgreiche Persönlichkeits- und Teamentwicklung.

14.12.2021, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon