Was macht eigentlich eine Sitzwache?

«Sitzwache», das klingt nach einem leichten Job. Ein bisschen daneben sitzen. Doch weit gefehlt. Denn Sitzwache bedeutet, verwirrte, unruhige oder sterbende Patienten zu begleiten. Diese Aufgabe erfordert starke Persönlichkeiten. Die Sitzwache hier im kurzen Überblick.

Pflegende haben vielfältige Aufgaben und können oft nicht viel Zeit mit einzelnen kranken Menschen verbringen, eine Veränderung im Gesundheitswesen, die oft kritisiert wird. Gerade schwerkranke Menschen in ihrer Not alleine zu lassen, ist äusserst fragwürdig. Wer als Sitzwache arbeitet, wird auf Wunsch von Angehörigen, Pflegenden, Ärzten oder Patienten gerufen. Sie arbeiten sowohl im Spital wie auch in der Psychiatrie. Ihre Aufgaben sind Präsenzzeit und empathisches Begleiten.

Eine anspruchsvolle Arbeit, die einen beruflich pflegerischen Hintergrund und eine entsprechende Lebenserfahrung verlangt.

Anforderungen: Ein Leistungsausweis reicht nicht

Was sind typische Aufgaben von Sitzwachen? Kranke und schwerkranke Menschen empfinden oft anders als gesunde. Wenn Perspektiven fehlen, Ängste überhandnehmen, Fragen x-mal gestellt werden und Antworten nicht mehr ankommen, braucht es professionelles Fachwissen und als zusätzliche Anforderung auch ein «grosses Herz». Sitzwachen erbringen ausserdem kleinere Pflegeleistungen und melden gesundheitliche Auffälligkeiten der zuständigen Pflegeperson, ersetzen diese aber niemals.


Hilfe annehmen und Würde erfahren

Wir sind uns oft gar nicht bewusst, dass Hilfe anzunehmen für viele Menschen nicht einfach ist.

Laut der Enzyklopädie der Gerontologie ist eine Angst im Blick auf die Endphase des Lebens, Angehörigen und Pflegenden in der Zeit von Krankheit  und im Sterben zur Last zu fallen.

In der Regel sind wir lieber auf der Hilfe bietenden Seite. Hilfe anzunehmen bedeutet in gewissem Mass, die eigene Kontrolle abzugeben und dies kann beträchtliche Ängste auslösen. Beispielsweise, zum Objekt medizinischer und therapeutischer Behandlung zu werden, als Persönlichkeit, als Subjekt nicht mehr ernst genommen und im Selbstbestimmungsrecht verletzt zu werden. An diesem Punkt ist also viel Taktgefühl seitens von Betreuenden gefragt, um Patienten nicht zu überfordern und ihnen vor allem nichts Fremdes überzustülpen.

Patienten sollen, wann immer möglich, ihre Würde erfahren können.

Obwohl die Würde eines Menschen nicht verloren gehen kann, ist es in Zeiten von Schwäche und Ohnmacht besonders wichtig, die eigene Würde immer wieder zu spüren zu bekommen. Die Würde von Patienten zu achten, beginnt unter anderem mit dem Erkennen von kleinen Wünschen. Auch in der grössten Not sind Menschen froh, wenn ihnen wichtige Bedürfnisse erfüllt werden und seien es zum Beispiel gepflegte Fingernägel. Solche Bedürfnisse finden Sitzwachen oft im persönlichen Gespräch heraus. Gut zuhören schafft Vertrauen. Und Vertrauensaufbau ist von Anfang an extrem wichtig.

Einfühlungsvermögen und echtes Interesse können innere Blockaden lösen und das im Sterbeprozess immens wichtige gegenseitige Vertrauen kann wachsen.

Erlebnisse können sehr nahe gehen

Sitzwachen sind manchmal die Menschen, die den letzten Draht zu Sterbenden haben. Für die Angehörigen ist es beruhigend zu wissen, dass ihre Lieben in der Zeit, in der sie nicht selbst anwesend sein können, professionell begleitet werden. Menschen im Sterben zu begleiten kann auch einer professionellen Pflegeperson nahegehen. Darum gilt für Sitzwachen das Gleiche wie für andere Berufe:

Erlebtes soll möglichst dort gelassen werden, wo es stattgefunden hat. Zudem braucht es einen privaten Ausgleich, der hilft, aufwühlende Erlebnisse zu verarbeiten.

Sitzwachen tun ihre Arbeit im Stillen. Die meisten Menschen nehmen sie wohl erst wahr, wenn ihnen nahestehende Menschen oder sie selbst in einer entsprechenden Notlage sind. Obwohl Sitzwachen unserer hektischen Welt viel über die im Sterben typischen Erkenntnisse zu erzählen hätten, halten sie sich an die Schweigepflicht.

Damit letzte Worte, Verletzlichkeit und Ängste in dem Raum bleiben dürfen, wo sie ausgesprochen wurden und sich ereignet haben.

Quelle: Blog.hirslanden.ch: Sitzwache: Begleitung in schwierigen Situationen

20.2.2024, Andreas Räber, GPI®-Coach, Wetzikon